Dießenbacher Informationsmedien

Die Slawenburg Raddusch

Ihre Geschichte - vermutlicher Ursprung und Wanderungen

Abb. 1: Urheimat der Slawen
Wo die Slawen genau herkommen, ist bis heute nicht sicher. In der Forschung gibt es mehrere Varianten:
  1. Westliche Variante: Zwischen Oder und Weichsel
  2. Östliche Variante: Oberer und mittlerer Dnjepr
  3. Nordöstliche Variante: Zwischen Oder und Memel
  4. Asiatische Variante: Am Altai-Gebirge oder um den Aralsee
  5. Neuere Thesen: Am Nordostabhang der Karpaten (J. Udolph), Oder (V.V. Martynow), Steppen der Ostukraine und Südrußland (Z. Golab).

Die "Ur"-Wohnsitze der Slawen waren wahrscheinlich Gebiete zwischen Warta und Dnjepr, im Süden reichten sie bis zur Donau. Das Wort "Slawe" ist erst seit dem 6.Jh. in byzantinischen Quellen überliefert. Im 5. bis frühen 6.Jh. war dann der Raum an mittlerer und oberer Weichsel von den Slawen besiedelt, Mitte des 6. Jhs. erfolgte ein Eindringen in den Balkanraum, sie dehnten sich dann im 6.-7. Jh. über weite Teile Mitteleuropas zwischen Ostsee und Mittelgebirge aus. Aufgrund der Awareneinfälle kam es zu weiteren Stammesverschiebungen im Laufe der Jh., außerdem erfolgt ein sprachlicher und kultureller Ausgleich benachbarter Stämme. So entstanden die Ostslawen (Russen, Ukrainer, Bjelorussen), Westslawen (Tschechen, Slowaken, Polen, Sorben) sowie Südslawen (Jugoslawier, Serben, Kroaten, etc.). Die Westausdehnung ist die älteste Besiedlungsrichtung, die Südrichtung war mehr abrupt und stand unter dem Einfluß politischer Veränderungen in Ost- und Südosteuropa, wie dem Zusammenbruch des Gotischen Reiches in Südrußland.

Die Sorben und Lusizer

Abb. 2: Einwanderung der slawischen Stämme im 6. und zu Beginn des 7. Jh.
Erste Erwähnung eines slawischen Stammes im späteren Deutschland durch den fränkischen Chronisten Fredegar aus dem Jahre 631: die Sorben! Die Sorben kommen offenbar am Ende des 6. Jhs. aus dem mittleren Donaugebiet (Teilstamm der Serben ?) und siedelten damals zwischen Saale und Erzgebirge. Die Lusizer werden erstmalig um 850 erwähnt, sie besiedelten damals den Höhenzug des Flämings und das östlich anschließende Waldgebiet. Sie wanderten Anfang des 7. Jhs. in die Ober- und Niederlausitz ein. Die Einwanderung scheint Mitte des 7. Jh. bereits abgeschlossen zu sein. Archäologisch faßbar ist ab diesem Zeitpunkt die sogenannte Tornower-Gruppe (Tornow-Gostóyn-Gruppe). Im 9. Jh. werden in der Lausitz dann die Milzener und Lusizer vom sogenannten bayrischen Geograph erwähnt. Sie bildeten offenbar einen selbständigen, politischen Verband, da er sie nicht unter die Sorben rechnet. Die beiden o.g. Teilstämme sind während oder kurz nach der Einwanderung entstanden. Das Stammesgebiet der Lusizer zerfiel in drei Siedlungsgruppen: Westliche im Luckauer Becken, die Mittlere an Dobra und Schratze bis zum Spreewald und die Östliche im Süden des Oberspreewaldes. Sie bauten zunächst kleine Burgen (Dm. 30-40 m) als dörfliche Fluchtburgen mit Wehrmauern aus Rostbauweise, die Häuser dagegen waren groß (128 m²). Die Burgwälle waren ca. 3-4 km voneinander entfernt und gehörten größtenteils der altslawischen Zeit an! Ähnlichkeiten zu dieser Gruppe finden sich in der sogenannten Feldberger-Gruppe (um Feldberg, Kr. Neustrelitz), mit den sogenannten Feldberger Höhenburgen mit 60-80 Großhäusern und ca. 1000 Bewohnern.

Die Umwelt

Abb. 3: Name und Wohnsitz Slawischer Stämme
Die Gebiete waren vor der Landnahme größtenteils bewaldet, kleinere Offenlandschaften gab es nur dort, wo ältere germanische Bevölkerungsgruppen ansässig waren. Die Gebiete zur Ansiedlung wurden nach dem Vorhandensein von Flüssen, Bächen, Seen ausgewählt; dort schlug man dann Lichtungen in den Wald (v.a. eichenreiche Mischwälder). Die Siedlergruppen ließen sich in enger Nachbarschaft nieder, die Wälder dazwischen wurden mit der Zeit durch Felder, Vieheintrieb, Rodungen immer lichter und es bildete sich eine kleine Kulturlandschaft heraus.

Die Landwirtschaft

Abb. 4: Rekonstruktionszeichnung einer hölzernen Egge aus der Vorburgsiedlung Groß Raden, Kreis Sternberg, 10. Jh.
Der Boden wurde mit einem sogenannten Hakenpflug beackert, der nur ritzt und lockert, er ermöglichte das kreuzweise Pflügen. Der slawische Haken war auch ein Landmaß und entsprach der Fläche, die ein Paar Ochsen oder ein Pferd bearbeiten kann, also ca. 10,4 ha. Felder waren lang wie breit (Blockform), Eggen wurden ebenfalls für die Feldbestellung verwendet.

Abb. 5: Hölzerner Haken von Dabergotz, Kr. Neuruppin, 8. Jh.
An Saatgut waren Winter- und Sommergetreide bekannt, ferner Weizen, Gerste, Roggen, Emmer, wenig Dinkel, jedoch Rispenhirse, Hafer, Lein, Linse, Erbse, Ackerbohne. Planzstöcke dienten zum Legen der Samen, Bearbeitung erfolgte mit Holzspaten, Hacken aus Geweih oder Eisen. Fruchtfolge. Geerntet wurde mit Sichel, das Stroh blieb auf den Feldern, gedroschenes Getreide kam in Tongefäße, Lehmwannen, Säcken oder Beuteln auf Böden der Häuser, z.T. auch in besondere Speicher, aber auch in birnenförmige, bis zu 3 m tiefe Silogruben unter die Erde. Getreide wurde auf Handdrehmühlen gemahlen, die Mühlen wurden aus Geschiebe oder Porphyr hergestellt.

Abb. 6: Rekonstruktionsversuch des Erscheinungsbildes eines frühmittelalterlichen Laufschweins
An Tiere waren bekannt und wurden hauptsächlich gegessen Rind und Schwein, dann Schaf, Ziege, Pferd, weniger Huhn und Gans. Zuerst war das Schwein dominant (Mischwälder Eichelmast), danach Anstieg des Rindviehs! Die Haustiere waren klein, besonders klein waren Schafe (ähnlich unseren Heidschnucken), die Schweine waren hochbeinig und behaart, wie das "Dürer-Schwein". Daneben gab es große Hirtenhunde und auch Hauskatzen. Die Rinder waren in Stallungen neben dem Wohnhaus untergebracht, die Schweine in eingetieften Ställen in Abstand zu den Wohnhäusern, ansonsten gab es die Weidewirtschaft (Waldweide).

Handwerk

Raseneisenerz, Rennöfen, Schmiede als Spezialisten, die Eisenproduktion fand in den Zentren der Siedlungskammern statt, von dort aus wurden die dörflichen Siedlungen beliefert, erfüllten aber nur dringendste Bedürfnisse, da bislang wenig Eisenfunde getätigt worden sind. Sehr selten sind Buntmetalle, sehr häufig dagegen Holz. Bewohner erzeugten ihre Tongefäße offenbar selbst im Saisonbetrieb, in Tornow sind bereits Werkstätten nachweisbar. Es gab Geweih- und Knochenverarbeitung, wenig Glasschmuck, anderes war aus Glas ohnehin unbekannt. Westlich der Oder ist Glasproduktion erst seit dem 11. Jh. zu belegen. Für Holzbearbeitung existierten Werkzeuge wie Äxte, Meißel, Dechsel, Stechbeitel, Bohrer.

Wirtschaft

Abb. 7: Slawische Werkzeuge
Geld gab es in Form von Äxten, aus Tornow bekannt, nördlich davon gab es sogar das Leinengeld (kleine Leinentücher), ab 9. Jh. ist Silber bekannt, das aber aus der "Fremde" kommt. Handelsartikel waren v.a. Vieh, Pferde, Getreide, Honig, Wachs, Pelze, Salz, Mahlsteine, Eisen und auch Menschen (sic !!). Importiert wurden u.a. Spinnwirtel, glasierte Toneier aus dem Kiewer Rus, Schmuck, Waffen.

Die Siedlungen

Abb. 8: Rekonstruktionszeichnung von Burg und Siedlung Tornow, Kr. Calau, Periode B. 8./9. Jh.
Grundlage ist das Dorf. Seit Ende des 7./Anfang des 8. Jhs. Bau von Burgen und befestigten Adelssitzen, die Siedlungsgefilden wurden so zu Burgbezirken, die dann die Grundeinheit der Stammesgliederung (=civitates) bildeten. Die Handwerker lebten vor der Burg, es bildeten sich sogenannte Vorburgen (=suburbien) aus, darin lebten Fischer, Jäger, Dienstleute, usf. Die Bauern wohnten neben der Feldflur. Sehr wichtig bei der Siedlungsauswahl war das Wasservorkommen. Außerdem sollten Naturgegebenheiten den unerwünschten Zutritt in die Siedlung zu verhindern helfen. Es wurde vorzugsweise an der Grenze zwischen Hochland und Talaue, am besten auf Halbinseln oder Landzungen gebaut, die in Niederungen reinragten. Angeordnet wurden die Häuser in Rund- oder Halbrundform um einen "Dorfplatz", der Vieh des nachts und im Winter Schutz bot.

In Tornow z.B. lag die Siedlung auf einer 2 ha großen lehmig-sandigen Halbinsel, an deren nördlichen Spitze sich die Burg befand.

Abb. 9: Grabungsbefund und Rekonstruktion des Hauses 1 von Dessau-Mosigkau
Die Häuser hatten zumeist einen Raum, waren ca. 12-25 m² groß, quadratisch, oftmals Grubenhäuser z.T. mit Öfen (immer in NW-Ecke gelegen), davor Kellergrube, ab 10. Jh. auch in der Lausitz der einräumige Blockbau. Eingetiefte Getreidespeicher für Vorräte mit birnen-trapezförmigem Querschnitt.

Innere des Hauses war bescheiden eingerichtet, Schlafbänke, Hocker, Tischplatten, in Adelshäusern kunstvoll gedrechselte Betten, Wandborde für Geschirr, hölzerne Truhe, offene Herde aus Stein oder Lehm, Rauch zog offen durch Giebelöffnung ab, beleuchtet wurde Haus durch Fackeln aus Pech oder Kinspänen oder Öllampen, Fußböden waren meist gedielt, mit weißem Sand bestreut oder mit Textilien ausgelegt. Das Gebälk war teilweise verziert.

Die Burgen

Abb. 10: Slawische Burgen im Niederlausitzer Braunkohlerevier
Zw. 6.-13. Jh. gab es ca. 3.000 Burgen im westslawischen Gebiet. Zunächst wurden diese von der gesamten Siedlergruppe angelegt, entweder siedelten sie direkt darin oder sie befestigten ihre Siedlungen wie Burgen; diese dienten dann in Notzeiten als Zuflucht. Später repräsentativer Sitz der Oberschicht.

Es gibt drei Burgentypen:

1. Befestigte Siedlungen von Bauern7.-9.Jh.
2. Burgen der Oberschicht8.-9.Jh.
3. Befestigte Siedlung als "Vorstädte" der Nichtlandwirteab 9.Jh.

Burgen wurden auf Berghöhen oder Talniederungen angelegt (= Höhen- und Niederburgen), gefährdete Stellen wurden durch Palisaden, Bohlenwände, Hecken usf. geschützt, auch durch Abschnittswälle und -gräben.

Die Bestandteile einer Burg waren:

  1. Hauptelement war die innere Besiedlung, d.h. Bebauung der geschützten Fläche: Um Innenhof gruppierten sich Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Kultbauten, Versammlungsstätten etc.
  2. Befestigungsanlage: Wehrmauer, Wall, Palisade, Graben, Tore, Türme

Abb. 11: Die Burgen der Slawen westlich von Oder und Neiße
Vier Faktoren bestimmten Form und Aussehen der Burg:

  1. Gesellschaftliche Funktion der Burg
  2. Stand und Erfordernisse der Kriegstechnik
  3. Traditionelle Bindungen und Beziehungen, denen die Burgenbauer verhaftet waren
  4. Landschaft, Baumaterial

Technik und Organisation des Burgenbaues:

Zunächst gab es einen Plan, die gesamte Bevölkerung baute mit, in Feldberg waren ca. 100 Arbeiter 50-80 Tage mit Wallbau beschäftigt. Für eine Burg wurden ca. 60 ha Eichenwald gerodet (für die Mecklenburg wurden z.B. 9.400 m³ Holz benötigt), 1 m³ Eichenholz benötigte 6-10 Tagwerke, für 1 m³ Erdaufschüttung wurden 1/2 bis 1 Tagwerk gerechnet ca. 75.000 - 120.000 Tagwerke für Burgbau (1 Jahr = 200 Tagwerke!), bei sehr vielen Leuten, ca. 1000, konnte somit die Burg in einem Jahr errichtet werden.

Rostbauweise: Segmentbauweise, Stämme abwechselnd längs und quer zur Wallrichtung angeordnet. Der Rost, der Zwischenraum, wurde mit Erde, Holz, Steine, Torf verfüllt, an Vorder- und Hinterfront verhinderten Asthaken ein Abgleiten der äußersten Stammlage. Die Breite betrug durchschnittlich 2,40 m, setzte man 2-3 Roste voreinander war es unmöglich, diesen zum Einsturz zu bringen, auch Feuer konnte ihm nichts anhaben. Es gab sogenannte Tunneltore mit Torflügel, Fallgitter; die Wände waren mit Balken und Bohlen ausgezimmert (z.B. Tornow); manchmal umlief ein Graben die Burg, der ca. 3-5 m breit war und häufig mit Wasser gefüllt war, auf der Wallseite standen Palisaden- oder Zaunhindernisse; ab dem 11. Jh. gab es auch einen Vorwall, um das Vorschieben von Belagerungsmaschinen zu erschweren. Der Zwang zu hohem Arbeitsaufwand bedingte zwangsläufig die Ausbildung des runden oder ovalen Baugrundrisses als rationellste Form der Burg.

Abb. 12: Wallquerschnitt der Slawenburg Raddusch
Die Wasserversorgung wurde durch Brunnen oder Zisternen sichergestellt, Brotbacköfen sowie Schmiedewerkstätten für Waffenfabrikation im Inneren der Burg vorhanden. Die Burgen waren in der Regel nicht für die Aufnahme der Bevölkerung in Kriegszeiten ausgelegt, die Bevölkerung zog sich in Wälder oder befestigte Vorburgsiedlungen zurück !!

Kriegstechnik und mögliche Gegner

Im Laufe der Zeit erfolgte ein Wandel in der Kriegstechnik: Durch Herausbildung befestigter Wohnsitze und gesellschaftliche Differenzierung erfolgte Verringerung der Kriegerzahl, der Großteil des Heeres mußte erst im Falle eines Krieges aufgeboten werden, Gegner waren für die Slawen das Dt. Reich und die dt. Feudalherren. Da bei Kriegszügen in Italien ein Wandel der Belagerungstechnik erfolgt war (Bau von Türmen, Sturmböden, Unterminieren) mußten die Fürsten die Burg so fest wie nur möglich anlegen, da ihr Fall den Verlust der Herrschaft über das Land zur Folge gehabt hätte. Das bedingte die Verlagerung der Burgen an Flüsse oder sumpfige Niederungen, die Befestigungsanlagen wurden kurz, breit und hoch wie nur möglich, die Wallkonstruktion wurde durch Verbundbau vervollständigt! Möglichst wenig Tore. Durch die Verwendung von Holz als Baumaterial wurde Elastizität erzielt, Rammen wurden dadurch wirkungslos, Tunnel auch nicht, da Burgen dicht über Grundwasserspiegel oder auf Fels gebaut wurden. Die einzige Möglichkeit bestand darin, die Burg zu entzünden, die meisten wurden offenbar ohnehin durch Feuer zerstört. Die Außenwände waren mit Stein, Lehm oder Schlick verkleidet. Bauerkrieger war mit Keule, Lanze, Axt oder Bogen bewaffnet, hölzerner oder geflochtener Schild. Adelskrieger war mit Schwert mit doppelter Schneide mit kunstvollen Griffen, Streitaxt, Panzerhemd, Helm (Spangenhelm), Holz- Lederschild, war beritten.

Die slawische Gesellschaft

Abb. 13: Schematische Darstellung der gesellschaftlichen und politischen Struktur der Slawischen Stämme
Das Gefilde = civitas bestand aus einer Anzahl von Dorfsiedlungen oder Weilern; diese umfaßten und verwalteten alles bebaute Land; ihre Größe variierte (ca. 300-1200 Menschen).

Die unterste Ebene eines Gefildes bildete die Großfamilie = Eltern, Kinder, Enkel. Die Spitze hatte der Geschlechtsälteste inne, bei Tod ging die Führung auf ältesten Sohn über. Die Großfamilie war identisch mit Wirtschafts- oder Hofverband, er besaß eigenen Bestattungsplatz und -sitten und Hausgötter. Bei den Lusizern wohnten die Bevölkerung eng zusammen. An ihren Mittelpunkten entstanden Burgen, oder die Siedlungen wurden befestigt. Die Häuptlinge repräsentierten das Gefilde, mehrere Gefilde bildeten das Gebiet eines Stammes oder Kleinstammes = größte politische Einheit. An der Stammesspitze war der König oder Fürst. Mehrere Stämme bildeten Stammesverband mit Öberkönig. Stammesfürsten hatten immer Interesse an Machtzuwachs, da dies am schnellsten durch Krieg geht, gab es ständig Fehden mit den "lieben Nachbarn."

Im 9./10. Jh. tritt ein Wandel ein, so z.B. in Tornow nachvollziehbar: Die Großfamilien stellen die Macht dar, die Oberschicht will diese zerschlagen, in bäuerliche Einzelfamilien auflösen und ihrer direkten Kontrolle unterstellen. In Tornow wird deshalb statt der dörflichen Fluchtburg ein befestigter Adelssitz errichtet; auch findet eine Herausbildung von Siedlungen von Nichtlandwirten statt. Daraus folgte eine Tendenz zur Arbeitsteilung.

Im 9./10. Jh. gab es folgende Schichten:

  1. Unfrei Sklaven, Gefangene, die z.T. in Rodungsgebieten eingesetzt wurden
  2. Bauern, vielleicht noch nicht abhängig
  3. Vorsteher oder Dorfälteste, Reiterkrieger oder Dienstleute anderer Funktion
  4. Höherer Adel auf Burg, zieht Abgaben von Bauern, Handwerkern und anderen ein, Unfreie betreiben Eigenwirtschaften in Höfen
  5. Hoher Adel (Stammesverband)
  6. Handwerker, Kaufleute in entstehenden "Vorstädten"

Kultur

Kleidung:

Der Mann: Leinernes Unterhemd, Unterhose und darübergezogener Kittel, umgürtelt, Kinnbart, im Winter Pelz, spitze Pelzmütze

Die Frau: Kleid über Unterkleid und leinernes Hemd mit Gürtel, Lederschuhe, Haar nach hinten getragen, durch Schläfenband gehalten (Adlige hatten schulterlanges Haar).

Ab 9.Jh. Schreiben bekannt, Griffelfunde, ab 10.Jh. Ausbildung eigener Schriftkultur, zunächst Ritzungen, ab 12. Jh. dann Mitellatein.

Religion

Abb. 14: Rekonstruktionszeichnung der Hügelgräber 1-4 (von links nach rechts) von Gahro, Kr. Finsterwalde
Zunächst hatte jeder Stamm seinen eigenen Gott, der in Tempeln oder hl. Hainen (meist eine oder mehrere alte Eichen, umgeben von einem kreisrunden Hof, der von einem Graben begrenzt war) verehrt wurde; in Tempeln wurde auch das "Gemeindegeld" aufbewahrt, auch sie waren von einem hl. Bezirk umgeben, z.B. Wald oder flacher Graben. Die Natur war mit Geistern und Dämonen bevölkert.

Nur die Mitglieder der Gesellschaft gehörten der Kultgemeinschaft an. In Großfamilien gab es daneben auch Hausgötter, jede Großfamilie hatte eigenen Bestattungsplatz. Bis 9./10. Jh. wurde verbrannt, bei Verbrennen wurde Klagelieder gesungen, zuweilen Trauertänze aufgeführt und ein Totenmahl abgehalten, die Asche des Toten gab man in eine Urne, die vergraben wurde oder in Hügelgräber kam. In der Lausitz deponierte man die Urne auf der Kuppe eines flachen Hügels. Man verbrannte den Toten mit Ausrüstung, Kleidung, Schmuck, da Fortlebenglaube. Ab dem 9./10. Jh. setzte sich Körperbestattung durch.

Das Beispiel Tornow, Kr. Calau - Die Burg

Burg B ist diejenige, die der Burg von Raddusch in ihrem Aussehen her am nächsten kommt.

Größe:

Breite des Walls 10-14 m an der Basis, Breite der Berme 2-3 m, Graben 5-8 m, kreisförmiges Areal von ca. 38,90 a (Befestigungen 34,40 a/Innenhofnutzfläche 4,52 a), Höhe des Erdwalls heute 4-5 m, Wall der Burg B damals ca. 8-9 m.

Innenbauten:

Ein Tor im Süden auf der der Siedlung zugewandten Seite. 19 Anbauten (Speicher) waren eng in Zusammenhang mit der Wallhinterfront errichtet worden, diese bildeten gleichzeitig die wallseitige Begrenzung der Bauwerke; die im Blockverbund mit dieser Rückwand verbundenen Querwände bildeten die Querwände der Bauten. Zum Innenhof waren diese z.T. abgeschlossen, vielleicht durch eine Wand in Blocktechnik. In den Gebäuden standen offenbar in größerer Höhe (Zwischendecke bei 1,8-2 m) Mühlen, Getreide, Gefäße, Höhe des gesamten Obergeschoßes unbekannt; Bedachung mit Balken oder Bohlen (Schindeln).

Inhalt der Speicherbauten: Lehmwannen etc. . . im Obergeschoß, dienten zur Getreideaufbewahrung, ebenso Tongefäße für Honig, Fett, Wachs usw. . .aber auch in fast jedem Speicher standen Drehmühlen.

Abb. 15: Grundriß der Burg B von Tornow, Kr. Calau. 8./9. Jh.
Mittelpunkt bildete unterkellertes Haus, das ständig bewohnt war, nur in drei Anbauten waren Unterkünfte eingerichtet, die Speicher wurden von einem Umgang auf dem hinteren Wallabfall beschickt, somit konnten Getreidelieferanten nicht in das Burginnere gelangen! Vor der Burg lag ein Wirtschaftshof, der dem Häuptling gehörte. Die Siedlung um die Burg hatte keinen festen Dorfplatz, im 8./9. Jh. wird die Großsiedlung aufgegeben und durch kleinere Bauten (30-50 m²) ersetzt, es gab keinen festen Gehöfttyp.

Bewohneranzahl:

Ca. 10-20 Menschen, gliederten sich in Bewohner des Zentralgebäudes (Burgherr) und in Bewohner der drei Unterkünfte (Gefolgschaft).

Ähnliche Burgen auch in Vorberg, Wiesenau, Schönfeld, Presenchen.

Nach Ausweis der botanischen Funde herrschte in Tornow auf den Feldern der Fruchtwechsel, die Art der Getreidezusammenstellung und ihrer Einbringung deutet darauf hin, daß das Getreide nicht einer größeren Fläche entstammt, sondern von vielen kleinen Wirtschaften; verschiedene Gefäßgrößen stehen in diesem Zusammenhang für die Höhe der Leistungen, die diese Wirtschaften zu erbringen hatten.

Gesellschaftsstrukturell handelt es sich bei den Bewohnern von Tornow um eine einfach organisierte Grundherrschaft, die von einem Grundherrn und seiner kleinen Gefolgschaft aufrecht erhalten wurde, die ökonomischen Grundlagen bildeten die bäuerlichen Eigenwirtschaften. Außerdem entwickelte sich n der Siedlung um die Burg eine handwerkliche Spezialisierung.

Literatur

Alle nichtzittierten Abbildungen stellte uns dankenswerterweise Frau Dr. H. Bönisch, Brandenburgisches Landesmuseum für Denkmalpflege, Archäologisches Landesamt, Referat Braunkohle zur Verfügung.